Potenziale in Wirtschaft und Verwaltung entfesseln, Verfahren vereinfachen, den Staat neu denken – das sind die Ziele der Enquete-Kommission Bürokratieabbau. Auf Initiative der CSU-Fraktion wurde die Kommission im Juli 2024 vom Bayerischen Landtag eingerichtet. Als stellvertretendes Mitglied wirke ich aktiv an ihrer Arbeit mit. Nun hat die Kommission ihre ersten Handlungsempfehlungen veröffentlicht – mit dem Fokus auf beschleunigten Wohnungsbau und einen schnelleren Infrastrukturausbau.
Zum Themenkomplex Nr. 7 „Bürokratieabbau bei Wohnbau- und Infrastrukturvorhaben sowie großen Investitionsvorhaben“ wurden in der Sitzung am 13.03.2025 folgende Handlungsempfehlungen einstimmig bzw. mehrheitlich beschlossen:
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Die vielfältigen Modifizierungen im Vergaberecht durch die Staatsregierung sind zu begrüßen. Gleichwohl ist das Vergaberecht weiter zu vereinfachen. So ist beispielsweise die Möglichkeit von gewerkeweisen oder ganzheitlichen Vorgaben verstärkt zu ermöglichen sowie die Addierung von Planungsleistungen zu flexibilisieren. Hierfür sind europa- und bundesrechtlich belassene Umsetzungsspielräume zu nutzen.
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Die zahlreichen Förderprogramme der EU, von Bund, Ländern und Kommunen sind zu entwirren. Doppelförderungen sind zu vermeiden, Förderungen sind zukünftig stärker pauschal zu beantragen und abzurechnen. Statt zahlreicher kleinteiliger Förderprogramme soll es zukünftig weniger, aber größere Förderungen geben. Beispielsweise ist zu prüfen, ob die Mittel einzelner Landes-Förderprogramme den Kommunen als Kopfpauschale oder über die Erhöhung der Schlüsselzuweisungen zur freien Verfügung gegeben werden können. Bei Rückforderungen von staatlichen Förderungen soll eine Bagatellgrenze eingeführt werden, um den Arbeitsaufwand auf allen Seiten zu minimieren.1
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Bei staatlichen Förderungen von im Einzelfall unter 25.000 € soll regelhaft kein Verwendungsnachweis mehr geführt werden müssen. Hier sollen nur stichprobenartige Kontrollen stattfinden. Eine solche Regelung sollte im Hinblick auf eine mögliche Erhöhung des Schwellenwerts nach spätestens 2 Jahren evaluiert werden.2
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Die staatliche Förderung für kommunale Zweckbauten wie Schulen, Kindergärten, Sport- und Kulturstätten oder Feuerwehrhäuser ist konsequent auf kostensparende und standardisierte Bauweise auszurichten. Dies umfasst die Vorgabe eines vorgeplanten, auf die örtlichen Verhältnisse anpassbaren Standard-Gebäudetyps.3
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Das Verbandsklagerecht im Bereich des Umwelt- und Naturschutzrechts ist umfassend auf den Prüfstand zu stellen.4
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Bürgerbegehren und Bürgerentscheide sind weiterzuentwickeln, so dass sie einerseits die berechtigten Interessen der Bürgerinnen und Bürger wahren und andererseits dem Gemeinwohl dienende große Bau-, Infrastruktur- und Planungsvorhaben nicht unverhältnismäßig verzögern.5
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Der Gesetzgeber hat von ihm selbst aufgestellte technische Anforderungen, die sich als überzogen erweisen, entsprechend zu modifizieren und das Werkvertragsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch anzupassen. Die technischen Anforderungen an bauliche Anlagen, insbesondere die Anwendung der DIN-Normen und der Bauproduktenverordnung, sind auf den Prüfstand zu stellen. DIN-Normen sind nur, soweit sie angemessen sind, zur Anwendung zu bringen.
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Brandschutzrechtliche Vorgaben, z. B. in Art. 12 BayBO, müssen einen angemessenen Mindestschutz garantieren. Diese technischen Mindestanfor-derungen sind per Gesetz oder durch untergesetzliche Normen zu regeln, nicht aber durch bloße Verweisungen auf technische Standards. Den Brandschutz über dieses Niveau hinaus optimierende zwingende Vorgaben, wie z. B. ein zweiter Rettungsweg, sind auf ihre Rechtfertigung hin zu überprüfen.
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Der Gebäudetyp E ist unverzüglich als Alternative zu den bestehenden Gebäudetypen in die Musterbauordnung und anschließend in die BayBO einzuführen.
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Die Vorschriften zur Lärmmessung sind zu modifizieren. Oftmals sind die Maßstäbe für Lärmmessungen nicht sachgerecht oder hängen maßgeblich vom Standort der Messanlage ab und muten hierdurch willkürlich an. Die Vorgaben sind so zu modifizieren, dass einerseits den berechtigten Interessen nach Ruhe und Erholung und andererseits auch die Interessen des Bauwerbers in einem angemessenen Ausgleich gebracht werden können.
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Der gerichtliche Prüfungsumfang in Normenkontrollverfahren hinsichtlich Bebauungspläne ist auf die geltend gemachten subjektiven Rechtsverletzungen des Antragstellers zu beschränken. In diesem Zusammenhang ist der Amtsermittlungsgrundsatz im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entsprechend dem Effektivitätsgedanken in § 163 Abs. 1 GWB auszugestalten. Zudem sind die Heilungsvorschriften in den § 214 ff. BauGB zu erweitern.6
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Genehmigungsverfahren sowie Planfeststellungsverfahren sind zu vereinfachen und auf das Notwendigste zu reduzieren. Über bestimmte, vom Gesetzgeber festzulegende Planfeststellungsverfahren für zentrale Infrastrukturen soll allein der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entscheiden.7
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Das Baurecht ist zu reformieren. So ist zur Schaffung neuen Wohnraums die Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung zulässigerweise errichteter Bestandsbauten zu erleichtern, indem der Bestandsschutz erweitert wird. Die Schaffung einer angemessenen Anzahl von vermietbaren Wohnungen in landwirtschaftlichen Gebäuden im Außenbereich sowie von Wohnungen für Betriebsangehörige in Gewerbegebieten ist zu erleichtern.8
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Im Rahmen der behördlichen Abwägungsprozesse sind die dem Gemeinwohl dienende Zwecke wie z. B. Wohnungsbau oder Kindertagesstätten besonders zu berücksichtigen.
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Es ist zu prüfen, wie durch weitere gesetzliche Regelungen bezahlbarer Wohnraum gefördert und geschaffen werden kann.
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Die Potenziale zur Schaffung zusätzlichen Wohnraums im Bestand sind besser auszuschöpfen. Einerseits ist die in Art. 63 BayBO verankerte Abweichungs-möglichkeit zu erweitern. Für Modernisierungsvorhaben, für die Teilung von Wohnungen sowie für die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum durch Ausbau, Anbau, Nutzungsänderung oder Aufstockung von Bestandsgebäuden sollen Abweichungen von der BayBO nach Zulassung durch die Bauaufsichtsbehörde ermöglicht werden.
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Art. 6 BayBO ist dahingehend anzupassen, dass die Abstandsflächen auf ein Mindestmaß reduziert und eine Ausnahmevorschrift für flexiblere Abweichungen bei Nachverdichtungen und Aufstockungen eingeführt werden.9
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Betreffen Bauvorhaben Belange des Umwelt- und Naturschutzes, muss im Rahmen des europarechtlich Zulässigen der Grundsatz gelten: Gattungsschutz statt Individualschutz bei Tieren und Pflanzen. Es ist zu erwägen, bei öffentlichen Bauvorhaben eine Gesamt-Öko-Bilanz zu erstellen, wenn dadurch insbesondere Tiefbauprojekte ermöglicht werden können. Es sind praxistaugliche Erleichterungen bei der Ausweisung von Ersatz- und Ausgleichsflächen zu entwickeln.10
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Zur Verfahrensbeschleunigung sind die Baugenehmigungsbehörden zu ermächtigen, Abstimmungsrunden mit allen beteiligten Stellen der Verwaltung einzuberufen und die Fachbehörden zur Mitwirkung daran zu verpflichten. So wird sichergestellt, dass Genehmigungsverfahren nicht mehr durch eine sequenzielle Bearbeitung der verschiedenen, aufgrund der Konzentrations-wirkung mit dem Baugenehmigungsverfahren verbundenen Fachverfahren in die Länge gezogen werden.
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Der Denkmalschutz muss pragmatischer gestaltet werden, um wichtigen Gemeinwohlgütern wie etwa dem Bedarf nach Wohnraum gerecht werden zu können.
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Die Digitalisierung ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu einer effizienteren Bauverwaltung. Die digitale Arbeitsweise muss im Vergleich zur analogen einen echten Mehrwert liefern („DigitalisierungsDividende“). Baugenehmigungsverfahren sollen in Zukunft – ggf. unter Zuhilfenahme von digitalen Chatbots und KI-Anwendungen – nur noch digital abgewickelt werden (Digital Only). Um eine geordnete Umstellung sicherzustellen, sollte mit ausreichend Vorlauf ein konkreter Zeitpunkt für „Digital Only“ festgelegt werden. Hybride Antragsformen sorgen nur für Schnittstellenprobleme und zusätzlich erforderliche Kapazitäten, weswegen diese zu vermeiden sind. Sofern Bürger nicht in der Lage sind, digitale Anträge einzureichen, können entsprechende Infoschalter und Hilfsangebote bei den Behörden eingerichtet werden. Diese Maßnahmen sollen bis 2030 bayernweit umgesetzt werden.
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Bei Anträgen auf Baugenehmigung innerhalb des Geltungsbereichs eines rechtskräftigen Bebauungsplans ist anzustreben, dass die definierten Kriterien vollautomatisiert geprüft werden und damit eine print@home-Genehmigung möglich wird.11
Ich sehe Bürokratie als einen der größten Hemmschuhe für die Entwicklung unseres Landes. Es ist ein zentrales Thema, mit dem sich die CSU-Landtagsfraktion in dieser Legislaturperiode beschäftigt. Unser Ziel ist es, das Leben der Menschen und das Wirtschaften in Bereichen wie Handwerk, Mittelstand und Industrie zu vereinfachen. In Zusammenarbeit mit meinen Kolleginnen und Kollegen der CSU-Landtagsfraktion und der Staatsregierung werde ich mich aktiv dafür einsetzen, weitere Erleichterungen zu schaffen und die Effizienz in verschiedenen Bereichen zu steigern.
Ihr Martin Stock, MdL
1 Ablehnung seitens der SPD-Fraktion
2 Ablehnung seitens der SPD-Fraktion
3 Ablehnung seitens der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD
4 Ablehnung seitens der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD
5 Ablehnung seitens der Fraktionen AfD und SPD sowie des Experten Hubert Steffl
6 Ablehnung seitens der SPD-Fraktion
7 Ablehnung seitens der SPD-Fraktion
8 Ablehnung seitens der SPD-Fraktion
9 Ablehnung seitens der SPD-Fraktion
10 Ablehnung seitens der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD
11 Ablehnung seitens der SPD-Fraktion